dinsdag 7 december 2010

Menschenwürde







Zur Zukunft der Menschenwürde zwischen
Glaube und Weltordnung




©  J Michael Heynen




[Überarbeitete Textversion des Einführungsvortrags anläßlich einer
Diskussionsveranstaltung mit HE Jetsun Pema, der Schwester des Dalai Lama,
auf der Internationalen Frankfurter Buchmesse 10/2007]






Angesichts der Größe und Weite der Themenstellung habe ich mich bei der Darlegung meiner einführenden Implikationen für einen analytischen, zugleich thesenartig normativen Ansatz entschieden; und angesichts der mir verbleibenden Zeit fällt dies notwendigerweise auch eher abstrakt aus. – Um den Gegenstand für unsere nachfolgende Diskussion hinreichend zu fazilitieren, lassen Sie mich folgende Gesichtspunkte dazu skizzieren und in Form von fünf Thesen abrunden:




I    Äussere Menschenwürde


Menschenwürde’ beschreibt grundsätzlich die Idee und Erkenntnis, daß jeder Mensch jedenfalls qua Geburt und Existenz eine unveräußerliche und unbedingte Schutzposition seiner personalen Identität und seines Selbstwertes hat. Dort, wo dieser Schutz gewährleistet und auf Dauer angelegt gewährleistet ist, herrschen Freiheit, Rechtsgleichheit und Frieden. Dies gilt auch unabhängig von Traditionen und Gesellschaftsformen. So ist 'Menschenwürde' auch  unbedingter Maßstab der Rechte des Menschen.


Die Ausformung angewandter Menschenwürde erfährt freilich ihre je gesellschaftlich und kulturell unterschiedlich variierende Akzentuierung im Detail, zugleich ist ihr ein standardisierter Kern immanent, der berechtigterweise auf den Weltmaßstab zu projezieren ist: Die Würde des Menschen bezeichnet und verlangt ein ihm adäquates Mass an selbstbestimmter Existenz und Entfaltungschance – eben unabhängig von Zeit und Raum, Gesellschaft und Staat.


Als womöglich wesentlichste Grundkategorie menschlichen, also auch gesellschaftlichen und politischen Handelns genießt die Menschenwürde – so verstanden – einen unbegrenzt legitimierenden, also universellen Geltungsanspruch. Die jeweils gegenwärtige Qualität im Sinne der Menschenwürdigkeit einer Gesellschaft – in ihrer äusseren, ihrer rechtlichen, sozialen usw., auch psychischen Verfasstheit – ist an der konsequenten Einlösung diesen Anspruchs zu bemessen.


Gleiches gilt für die je herrschende Interaktionsqualität zwischen den Gesellschaften. Das bedeutet allerdings auch, daß grundsätzlich der Menschen-Unwürdigkeit einer jeweils anderen Gesellschaft zwar nicht hinnehmend, dennoch nicht mit im Zweifel gewalteskalierender Intervention begegnet werden kann. Eine strikt zu handhabende Ausnahme ist die humanitäre Intervention bei "Gefahr im Verzug". Denn: Das Ziel ist hier der Weg, der Prozess stetiger Inspiration und Überzeugung: durch Vorbild und Kommunikation!


Die Wahrung der Ziel-Mittel-Relation für jede – eben auch für die zwischengesellschaftliche -  Form und Art der Interaktion ist direkt aus dem Immanenzgehalt der Menschenwürde abzuleiten: Zwang – von innen oder von aussen – führt ad absurdum und bewirkt also das Gegenteil von Würdigkeit. Jede Gesellschaft verfügt über ihre individuelle Kultur der Entfaltung und Entwicklung, woraus sich die Heterogenität des internationalen Systems konstituiert. Die Regulativen des internationalen Systems haben dabei lediglich die Differenzen aus der Unterschiedlichkeit der Gesellschaftswelten klug moderierend zu koordinieren und einen langfristigen, eben gewaltfreien Lern- und Überzeugungsprozess i. S. v. “best practice” zu gewährleisten. Denn die äussere Menschenwürde ist letztlich nur aus der inneren zu erzeugen, um sich auch gesellschaftlich zu verbinden:




II    Innere Menschenwürde


Die Würde des Menschen konstituiert sich nicht nur als formale Position, also i. S. passiver Abwehr von Unrecht etc. Die Menschenwürde gründet vor allem in der aktiven Umsetzung ihrer substantiellen Bestimmung des individuellen Menschen Selbst. Diese bestimmungsgemäße Entfaltung des freien Selbst gliedert sich – in Anlehnung an Kolakowski – in das sog. ‚Forum Internum’ und ‚Forum Externum’. Das ‚Forum Externum’ ist die horizontale Verbindungsebene zum Sein, zur Interaktion mit der Realität, eben die Projektionsfläche des ‚Forum Internum’ als vom personalen Selbst bestimmtes Bewußtsein und zentrale Quelle des Erkennens, des inneren Wissens und Glaubens. Das ‚Forum Internum’ alloziert damit aber insbesondere die wohl wichtigste menschliche Kapazität: die Entwicklung von Transzendenz.


Die Transzendenzfähigkeit des Menschen – also die unbezweifelte Wahrnehmung des 'Höheren Selbst' als nicht sinnlich erfahrbare höchste Referenz für Denken und Handeln – konstituiert und entwickelt die innerste Quellsubstanz aktiver Selbst-Wahrnehmung und damit den Reifungsprozess der Würde. Die transzendierende Entwicklung des Menschen formt die 'zum Höheren' strebende Kraft im Sinne eines Loslösungs- und Befreiungsprozesses des Ego hin zum Selbst. Das jedenfalls formal identitätsstiftende Ich “materialisiert” sich im Äusseren, das Selbst stiftet die individuelle Wahrhaftigkeit, also die Substanz individueller Würde.


Und umgekehrt: Während die Substanz der Würde sich im Innern also unbezweifelbar als absolut und objektiv erfährt, wird sie im ‚Forum externum’ gespiegelt, doch zugleich mit der Würde des anderen personalen Selbst korreliert und jedenfalls formal um das im Äusseren identische Maß der Würde des anderen im Subjektiven relativiert. Die Quelle und das Bewußtsein der Würde sind also absolut, dennoch erfährt sich der um sie wissende Mensch ebenso vollständig in der Würde des anderen. Die innere Würde stiftet das Bewußtsein und die Schöpfungsskraft, um im Äusseren zu gestalten und – in und aus der Verbindung mit der Würde des anderen – sich weiter zu entfalten.




III    Menschenwürde und Glaube


Die Geistes- und Kulturgeschichte der Menschheit beschreibt vor allem die Entwicklung von Kosmologien, Religionen - und Ideologien. Der Entwurf des jeweiligen Welt- und Menschenbildes ist meist geprägt von Gott oder seiner Negierung. Das Jenseitige, sinnlich nicht Erfarhrbare wurde in Aberglaube, dann in je vorherrschenden, sich wieder reformierenden und diversifizierenden Glaubenssystemen erklärt und verfaßt. Danach wurden Kulturkreise begründet und theistische Staatsmodelle geformt. Darauf gestützte weltliche Herrschaftsmacht wurde und wird bis heute ins Totale gedehnt, abgeleitet aus dem “Absoluten”, und wird damit aus rein menschlicher Interpretation “göttlicher Fügung” oder Verfügung als kollektives Bewusstsein macht-egomanisch projeziert.


Prophetische Gabe wird in die Transzendenzentwicklung des einzelnen hinein "offenbart’" und geglaubt. Und die Offenbarung wird als “gott-gewollt” ins Reale politisiert. Das transzendente Streben des Menschen – seine w. g. wohl grösste Kapazität – wird so absorbiert, usurpiert und machtpolitisch konditioniert. Unfehlbarkeit, Auserwähltheit, exklusive Wahrhaftigkeit und missionarische Heilsversprechen projezieren ihre Binnenlogik auch zugleich auf die Erlösung der gesamten Menschheit. Die vermeintliche ‚Good Governance’ wird zur behaupteten ‚God’s Governance’! Menschliche Allmachtsphantasie geriert sich als “von Gottes Gnaden” verfasst.


Das individuelle, zugleich Gemeinschaftswesen Mensch wird zweckmässig herrschaftspolitisch internalisiert, indem das seine Würde begründende absolute Selbst über “seelenrettende” Fiktionen als Projektionsflächen des zu Glaubenden externalisiert und etwa über Gut-Böse-Chemata in der äußeren, natürlich dualen Welt absorbiert und schliesslich entmündigt wird. Machtprojezierende “Religiösität” und damit vor allem künstlich provozierte Polarität (“Kulturkampf”) konterkarieren die so wesentlichen Potentiale einer ‚coincidentia oppositorum’.


Die Transzendierung des Selbst wird dort durch jeweilige Heils- und Zukunftsversprechen getäuscht und verfälscht, wo wohlklingende, zugleich oktroyierende Glaubensangebote die Würde des Menschen bis ins Existentielle hinein zur herrschaftspolitischen Disposition stellen, häufig als “Gerechtigkeit” getarnt und maskiert. Und das gilt vor allem auch zwischengesellschaftlich.


Haben wir über die “Suche nach dem Paradies” eben dieses wieder verloren? Und ein seines Selbst bewusster Geist mag kritisch zuspitzend fragen: Braucht der Mensch eine vom Menschen (vor-) gedachte und glauben-machende Erkenntnis des Absoluten? Braucht also die Herausbildung menschlicher, selbst-basierter Urteilskraft die mensch-vermittelnde/te Interpretation “göttlichen Urteils”? Gibt es einen Menschen, der um die Wahrheit des andern auch nur annähernd wissen kann? 
 

Wird die geistig-historische Entwicklung des Menschen als ich-bezogener Prozess beschrieben, erweist sich also “Gott” als egomanische Projektion im Äusseren. Aber: Gott “findet statt” im Inneren des Menschen als tragendes Kontinuum seines transzendierenden Selbst. Gott ist Schöpfer des 'All-einen', so auch der äusseren Welt; der individuelle Mensch aber trägt die Verantwortung dafür, wie er sich – jedenfalls von innen nach aussen – darin bewegt und bewährt: als 'Co-Creator', auf der Basis eines freien Selbst als zentrale Determinante seiner Würde.




IV    Menschenwürde und Weltordnung


Auch in dem Versuch, der Welt eine politische Ordnung zu verpassen, finden wir die gleiche ins Äussere projezierende “welterlösende” Binnenlogik mit “schlüssig” klingendem Universalanspruch wieder. Teils faschistoide Auserwähltheit und meist messianistische Verabsolutierung – je sinnentleerter, umso aggressivere Bedrohungsperzeptionen und Aktionen – kopiert die religiös-missionarisch fixierte Idee der Erlösung. Und diese wird patriotisiert, ethnisiert und militarisiert sowie globalisiert. Schein-heiliger Alleingeltungsanspruch und sektiererische Spiritualität werden zusätzlich in geostrategische Hegemonien mit Weltgeltungsanspruch zu wenden versucht. In Form eines “demokratisch” behaupteten Über-Ichs, aber  letztlich extremistischen Fundamentalismus wird preemptiv und asymmetrisch eine Art vorsätzlich anarchische Konflikteskalation betrieben; selbstgerecht wird internationales Recht in die Rechtslosigkeit überdehnt und in den Dienst alleinigen Wahrheitsanspruchs heruntergebrochen.


Diese ‚Politik der Apokalypse’ und ‚doppelten Lüge’ - “im Auftrag des Guten” - hat uns zeitweise bis in die Gegenwart vor die Errungenschaften des Westfälischen Friedens zurückgeworfen. Die künstlich betriebene Polarisierung der Machtsysteme geht über die Menschen, ihre Bedürfnisse und damit vor allem ihre Würde hinweg, sich aus ihrer individuellen Transzendenz frei zu entfalten. Folglich gibt es weder eine “Alte Weltordnung” noch wird es eine “Neue Weltordnung” gemäss aktuellen Projektionen geben. 
 

Die Welt wird sich in lernender und harmonisierender Dynamik selbst ordnen, wenn die jeweiligen Gesellschaftswelten aus der Summe ihrer Selbst die innere und äussere Verbundenheit mit den anderen erfährt und konsequent weiter entfaltet.


Die “eine Welt” braucht natürlich keine einheitlich verordnete Welt; Koexistenz wird sich eigendynamisch – in doppeltem Sinne des Wortes: – zur 'Co-Creation' der Gesellschaftswelten weiter verwandeln. Die Würde des Menschen erfüllt sich dann ganz real aus sich und gemäss sich selbst, um sich schliesslich als aktiver Teil gegenseitig internalisierender Gesellschaftswelten zu erfahren. Diese Metamorphose wird nationale Identitätsstiftung als Momentum historischen Rückblicks in sich tragen, zugleich wird der Mensch im insbesondere individuell geistig bedingten, zugleich transpersonalen Verschmelzungsprozess der Gesellschaftswelten auch die ganz reale Wirkmacht seiner Würde wesentlich weiter ausbauen und vertiefen.




V    Zur Zukunft der Menschenwürde


Was sind schließlich die Konsequenzen aus dieser auch aktuellen Lageeinschätzung für die Zukunft der Menschenwürde? – Meine Ableitung daraus postuliere ich im Rahmen von fünf Thesen wie folgt:



(1) Die Zukunft der Menschenwürde beginnt in der Gegenwart – mit der Würde des Kindes und Kind-Seins!


Das Wachsen des Selbst und die individuelle Kapazität des jungen Wesens sind eben diesem entsprechend zu achten und zu fördern. Seine Potentiale sind sensibel wahrzunehmen und hin zur Selbstbestimmung freizulegen, nach innen wie nach außen. Eine Erziehung des Kindes im Sinne egomanischer Projektion etwa gesellschaftlichen und/oder religiösen Über-Ichs leistet nichts für die Würde des Kindes – im Gegenteil, denn qua Geburt gibt es keine linken oder rechten, keine jüdischen, christlichen oder moslimischen usw. Kinder. Und Eltern sind am wenigsten Vollstrecker religiöser oder etwa atheistischer Dogmen, sondern die bedeutendsten Treuhänder der auch eben schon sehr früh in sich, durch sich und außer sich erfahrbaren Menschwürde. Das noch junge Wesen ist der wohl reinste Beweis von Würde, und diese ist Zentralperspektive elterlicher Erziehung und Pädagogik.



(2) Die Zukunft der Menschenwürde hängt ab von der Einhaltung und fortschreitenden Durchsetzung internationalen Rechts sowie von konsequenter Neutralisierung, also vor allem Säkularisierung internationaler Politikmechanismen!


Die Globalisierung verkürzt Kommunikationsräume und –zeiten erheblich, dennoch gibt es (vgl. oben) keine Weltgesellschaft, sondern kultur-, ideen- und interessenspezifisch identifizierbare Gesellschaftswelten. Und die Mechanistik der UN zeigt, daß es lediglich Versuche hin zu einer verfaßten, letztlich aber nicht einheitlich funktionsfähigen Weltordnung gibt. Wie oben dargelegt: Auch eine sog. ‚Neue Weltordnung’ wird es trotz aller unilateralen Dominanzversuche nicht geben, denn eine Weltordnung konstituiert sich bereits schon dadurch, daß ein dynamischer Prozeß transformierender Abstimmung multilateraler Macht-, Regulierungs- und Ordnungsinteressen mit zentripedal koordinierender und integrierender Venetzung verstetigt wird.


Ein solches Verfahren etwa sog. ‚Global Governance’ hat eine nachhaltige wie konsequente religiöse / religionspolitische Neutralität zu gewährleisten. Dabei geht es nicht um A-Religiösität oder atheistische Kausallogik, sondern um die einende Substanz der Menschenwürde als oberster Referenz politischer Funktionsmacht. Daher dient Politik dem Menschen – und nicht umgekehrt! Ein politischer / religiöser “Würdenträger”, der gegen diese (Meta-) Maxime verstösst, verlässt insbesondere seine eigene Würde und betreibt gefahrvollen Rückfall kollektiver Selbst-Entwicklung. Politik ist nicht ohne Geist erfolgreich zu führen, zugleich nicht Ausdruck metaphysischer Begründung. Politik ist abgeleitete Koordinierung von Willen im Relativen, aber nicht Ausformung des Absoluten. Gesellschaften können sich aus der Summe ihrer Selbst im Göttlichen finden und einen; aber die Organisation und Regulierung gesellschaftlicher “Ichs” verbleibt ausschliesslich in menschlicher Verantwortung. Um dieser – und damit seiner jedenfalls äusseren Würde – gerecht zu werden, kann sich jeder einzelne in Gott rückversichern. Denn:



(3) Die Zukunft der Menschenwürde liegt in der metaphysischen Begründung transformierender Entwicklung!


Dafür sind zu allererst die zentrischen Binnenlogiken und zugleich fundamentalistischen Weltmessianismen mit unfehlbarem Wahrheitsanspruch klar als Irrweg zu identifizieren und zu neutralisieren. Derartig anmaßende Denk- und Glaubenssysteme haben mit Usurpation und Absorption individueller Transzendenz sehr lange Zeit in Anspruch genommen, um endgültig als gescheitert gelten zu können und sich der erforderlichen inneren Emanzipation nicht weiter in den Weg zu stellen. Emanzipation ist hier begriffen als entwickelnde und transformierende Rückbindung des Ich an das Selbst, dessen Bewußtsein in seiner jeweils eigenen metaphysischen Begründung ruht.


Denn letztlich und allein im Selbst liegt die treibende Kraft wirklicher und nachhaltiger Freiheitsfähigkeit und Friedensmächtigkeit, die wirkungsvoll prozeßhaft zu verstetigen ist auch durch das Zuhören und Wahrnehmen des Selbst im andern, schließlich durch Lern- und Diskursfähigkeit, durch Vergebung und Heilung hin zu gelebtem gegenseitigem Vertrauen. Der Kerngehalt der Menschenwürde hat damit insbesondere auch global freiheits- und friedensstiftende Referenz- und Leitfunktion. Deeskalation und Demilitarisierung der Politikfunktionen sowie gegenseitige Abrüstung und unbedingter Gewaltverzicht sind dann lediglich pragmatische Konsequenzen daraus.



(4) Die Zukunft der Menschenwürde braucht die Entwicklung einer globalen ‚Leitkultur’ im Sinne einer ‚Seinsphilosophie’ des Selbst!


Nicht von außen nach innen, sondern von innen nach außen verläuft der Reifungs- und Traszendierungsprozeß der menschlichen Essenz – eben aus seiner Mitte um sich selbst wissend, zugleich den anderen achtend und wahrnehmend. Die sich aus dem Transzendierungsdrang des Selbst entwickelnde Weisheitlichkeit erzeugt die schöpferisch sehende Gabe des ‚Propheten’ je im Selbst des einzelnen. Die Metamorphose hin zu selbstbestimmter Offenbarung verleiht das notwendige innere Wissen und Erkennen um die Richtigkeit und Wahrhaftigkeit individuellen Denkens und Handelns einerseits, zugleich andererseits die klare Relativität im offen wahrnehmenden und aktiven Verhältnis zur realen Welt. Folglich ist die Durchdringung des individuellen und gesellschaftlichen Bewußtseins mit der erkenntnis- und handlungsleitenden Zentralität des Selbst oberster, zugleich globalisierender Maßstab der Menschenwürde und ihrer konsequenten Achtung und Umsetzung.


Das setzt – für die Würdigkeit menschlicher Zukunft – allerdings voraus, daß sich insbesondere inter- / gesellschaftliche Governance-Systeme mit höchster Priorität auf den Menschen selbst und des Menschen Selbst kon- / zentrieren. Oberste Legitimation regionaler wie globalisierender Systemregulierung ist nicht die Funktionalität als solche, sondern ausschliesslich der zentrale Menschenbezug. Für die Koordinierung repräsentativer Machtfunktionalität ist damit non-konditional die Selbst-Bindung des Ich an das transpersonale vor allem auf entscheidenden Führungsebenen zu leisten, d. h. vor allem, sich von der Ego-Zentrik zu lösen hin zu höchst möglicher Qualifikation und Vorbildlichkeit i. S. von Selbst-geführter gesellschaftlicher, sozialer und strategischer Kompetenz in Denken und Handeln. Denn des “Menschen Wille wird erst zu seinem Himmelreich” durch die Authentizität gemäss seinem Selbst.


Die Menschenwürdigkeit von Systemfunktionen ist also nur dann zu gewährleisten, wenn Führungsverantwortung und substantielle Authorität determiniert sind aus dem Machtverständnis eines 'Prinzipals'. Ein Prinzipal ruht im Bewusstsein seiner Selbst und führt souverän aus der Verbindung und Verbindlichkeit des Selbst. Ob Krisenmanagement, Konfliktschlichtung oder Prozessoptimierung, ein Prinzipal führt aus Geist, er führt nachhaltig und effizient durch Vorbild, Überzeugung und eine der Würde des Menschen angemessene Kultur der Interaktion.



(5) Die Zukunft der Menschenwürde bedarf zur Umsetzung ihrer Substanz eines konstruktiven, offenen und wahrhaftigen Gestaltungswillens des Selbst, also des Individumms 'per se' und als gesellschaftlichem Wesen im Sinne aktiver Partizipation!


Die Entwicklung der Menschheit hat bewiesen, daß sie als ‚Co-Creator’ zu Weltbewegendem in der Lage war und ist. Dazu zählt freilich leider auch, die Schöpfung an den Rand ihrer Finalität zu führen. Dennoch vereinfachend und positiv betrachtet: Wir haben – in der äusseren Welt - weitgehend alles, was wir brauchen; es gibt wohl kaum noch ein Rad, das noch neu erfunden werden müßte. Wir haben großartige Leitbilder und Traditionen des Geistes, der Kultur, der Gesellschaften. Wir verfügen über ein umfassendes Mass an historischen und praktischen Erfahrungen, aber vor allem über hohe Potentiale an Intelligenz und Spiritualität. Eine ungeheure Quantität an Wissen haben wir erzeugt und verfügbar, um zumindest die physische Welt zu beherrschen. Dennoch: “Die Menschheitsentwicklung erscheint als eine gewaltige Ausatmungsbewegung, die vom inneren Selbst wegführte, hinein in das Exil der äußeren Welt,...” (aus: Marc Jongen, Das Wesen der spirituellen Erkenntnis – Wege in das Innere des Geistes, München 1998).


Sind wir also am “Ende der Zeit”, am Ende unserer globalen Expansion im Sinne des technisch-rationalen, kausal-logischen Beherrschbarkeit angelangt? Haben wir das Ende der physischen und materiellen Regulierbarkeit erreicht? Wo oder womit können wir angesichts dessen noch einen wirklichen, einen qualitativen sowie transformierenden Fortschritt generieren?


Hochwahrscheinlich ist die Antwort darauf – das “Ende der Zeit” als Anfang begreifend – in der Frage zu finden, die Gandhi formulierte: “...Warum suchst Du draußen, was in Dir ist?” Und geht es nicht genau darum: Den Neubeginn aus der ‚Rückanbindung’ (Religio) unserer physischen Existenz an das innere, das wahre Selbst?! Kierkegaard schreibt hierzu in seinem gedankenlyrischen Text über ‚Die ewige Macht Selbst’ – auszugweise zitiert: “...die Persönlichkeit ist alles, wenn sie sich selbst gewählt hat. Denn das Große ist nicht, dieser oder jener zu sein, sondern man selbst zu sein; und das kann jeder Mensch, wenn er will....”


Eben dieser Wille erzeugt die entscheidende initiatorische Kraft, von der die innere und äußere Würde des Menschen abhängt und ausgeht. Damit sind zugleich die wesentlichen Chancen und Herausforderungen transformierender Freisetzung der unerhörten kreativen Kapazität des Menschen beschrieben, auch in den verbindenden Erfahrungen des Selbst als freie und nicht mehr nur autonome Individuen transrational, transpersonal und zugleich transnational, also universell die Welt gemäß der Substanz des Menschen angemessen zu gestalten und zu formen. Hier vor allem liegt die Zukunft des Menschen - seiner jeweils wahren Würde entsprechend.






©  J  Michael Heynen, Brussels
     International Political Counselor
     http://Heynen-IPC.webs.com








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